Kunsttheorie / Kunstvermittlung

Dorothée Bauerle-Willert | Berlin
portrait
© Toni Crisolli

In der Erinnerung an Renate Anger († 2008), die mich mit so vielen Menschen verknüpft und verwoben hat, fünf Sätze aus 23 Jahren:

Mit sparsamen, zugleich nobilitierenden, großzügigen Gesten macht der Blautopf, ein mit gold-gefassten Findlingen belegter blauer Teppich, historische Dimensionen deutlich, entwickelt ein Bewußtsein für Kultur und Geschichte, so daß die Perspektivierung der Vergangenheit auf eine Gegenwart als Höhepunkt und Abschluß hinterfragt, zugleich Veränderung, auch im Hinblick auf die Zukunft denkbar macht.

Magirus 117. Kunst in der Halle, Ulm 1985

Raum, die Aura des spezifischen Ortes und ihre persönlichsten Psychogramme verschränken sich zu einer neuen Raumerfahrung, die die immer waghalsigen Grenzziehungen von Innen und Außen, von Erfahrung und Gegebenem, von Sagbarem und dem sich jeder Sprache Entziehendem erlebbar macht.

Katalog Antworten, Künstlerhaus Bethanien, Berlin 1987

Malerei ist eine Bewegung im Dazwischen, in ihrem eigenen Medium - kein stabiler Gegenstand, sondern die Figur einer Verschränkung, die niemals zu Ende kommt. Sie ist die Oberfläche einer Tiefe, die die Texturen des Sichtbaren entfaltet, zwischen, hinter nach ihrem Anblick, durch unseren Blick.

Katalog Carpe Diem, Haus am Waldsee, Berlin 2001

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Renate Anger, † 2008

Und das Wort wird Farbe, Klang, Rhythmus, Schönheit. Die Tücher sind Bild und Text in einem, aber in einer irritierenden Negation - Unsichtbarkeit des Sichtbaren und gleichzeitig Unlesbarkeit des Lesbaren, und dies doch in höchster Transparenz.

Broschüre Tagewerke. Malerei für einen Raum, Museum Nikolaikirche, Berlin 2003

Die bewegende Energie der Malerei antwortet auf das Material, auf eine räumliche Situation, die Bilder verschränken sich mit ihrem Grund, eröffnen und entfalten vielfache Bezüge in einer subtilen Balance, die nie erstarrt. Auflösung und Verdichtung, Farbgewicht und der Klang der Farbe sind unabschließbare Potentiale, ziehen in das Bildgeschehen hinein in großer Freiheit, in großer Freude an den Wundern der Malerei: Diese Freude, die auch im dunkelsten Bild Renate Angers bewahrt ist, ist ihr Vermächtnis, gerade jetzt.

Katalog Llegar Volando. Renate Anger. Alegria, Museo Nacional de Artes Visuales, Montevideo 2008

Dorothée Bauerle-Willert

 

Biografie Dorothée Bauerle-Willert, *1951 Göppingen, Studium der Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie in Tübingen und Marburg. 1977 Forschungsaufenthalt am Warburg-Institut in London, 1980 Promotion. 1980-83 Wissenschaftliche Assistentin an der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, 1983 Direktorin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen, 1983-90 Stellvertretende Direktorin am Ulmer Museum. Von 1990 bis 2007 Leben im Ausland. Arbeit im Kulturaustausch und Gastprofessuren an Universitäten in Asunción de Paraguay, in Montevideo, Uruguay, in Tallinn, Estland, in Skopje, Makedonien und in Belgrad, Serbien. Seit Februar 2007 lebt sie in Berlin, Lehraufträge an der Universität zu Köln und an der Hochschule der Künste, Dresden.

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